Gedanken zum Sozialverhalten im Bereich der Gewässerunterhaltung

von Dipl.-Ing. Peter Gerlitz


Grenzen überschreiten / Kompetenzen überschreiten


Gewässerunterhaltung kostet Geld. Und so ist man schnell dabei, einen Schuldigen für Missstände an einem Gewässer zu suchen, der sich gegebenenfalls an den Kosten für die Behebung der Schäden beteiligen muss. Auch wird in Zeiten knappen Geldes in Einzelfällen immer wieder neu gefragt: Sind wir dafür überhaupt zuständig? Ist das nicht eine Angelegenheit des Grundstückseigentümers? Dies alles ist legitim und in Ordnung; denn auch der Unterhaltungspflichtige hat verantwortlich mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln umzugehen. Schließlich sind dies in der Regel Steuergelder.

Besonders intensiv kommt die Diskussion über die Zuständigkeit bei der Pflege und Unterhaltung von Bäumen am Gewässer und den begleitenden Uferrandstreifen auf. Eine Entwicklung der Uferrandstreifen, wie sich für das Gewässer optimal darstellt, muss nicht gleichzeitig auch optimal für den Anlieger sein. Hierzu ein Beispiel:

Die Itter in Hilden wurde in den Jahren 1965 -1970 im Hinblick auf einen ordnungsgemäßen Hochwasserabfluss entsprechend ausgebaut. Selbst im Stadtgebiet hat man schon damals einen beidseitigen Grün- und Freistreifen erreichen können. Die Entwicklung des Baumbestandes nahm ihren Lauf. Für das Gewässer entstand ein Grünzug, wie man ihn sich nicht besser wünschen könnte. Doch wie kamen die Anlieger mit der Entwicklung zurecht? Da war zum Beispiel Frau Müller (Name geändert), deren Haus bereits vor dem Itterausbau unmittelbar an das Gewässer angrenzte. Durch die Entwicklung des Grünzuges wurde dem Haus jedoch jegliches Sonnenlicht genommen. Die angepflanzten Sträucher und Bäume wurden so groß, dass sie kein Licht mehr in das Haus ließen. Frau Müller musste selbst im Hochsommer bei strahlend blauem Himmel in ihrer Wohnung immer elektrisches Licht einschalten. Das Haus stand so dicht an der Natur, aber der Mensch im Haus hatte nichts davon.

Nach einem gemeinsamen Gespräch mit Frau Müller haben wir dann zwei, für den Grünzug entlang des Gewässers optimal entwickelte Bäume, gefällt. Aus Gründen der Gewässerunterhaltung wäre dies nicht notwendig gewesen, aber für den Menschen, der ja bekanntlich auch Bestandteil unseres Ökosystems ist, holten wir ein Stück Lebensqualität zurück.

Dies Beispiel zeigt, dass hier eindeutig Grenzen der Gewässerunterhaltung überschritten wurden. Gewässerunterhaltung dient grundsätzlich dem Wohl der Menschen, und das nicht nur weil sie Arbeitsplätze schafft, sondern weil sie, richtig durchgeführt, Lebensqualität für den Menschen erzielt und erhält.

Grenzen werden festgelegt vom Gesetzgeber, von Vorgesetzten, von der Politik. Sie sind Momentaufnahmen, die gegebenenfalls einige Jahre später bei einem Regierungswechsel oder einem Vorgesetztenwechsel keine Gültigkeit mehr haben. Sie basieren nicht immer auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sonder zu häufig auf neue politische Zielsetzungen.

So schnell wie sich politische Zielsetzungen ändern, wie sich die Meinung meiner Vorgesetzten ändert, so schnell bin ich nicht immer in der Lage, meine Meinung, meine Überzeugung, meine Zielsetzung ebenfalls zu ändern. Ich würde zu einer Marionette, zu einem Spielball meiner Vorgesetzten, würde ich mich deren Strategie bedingungslos unterwerfen, obwohl ich anderer Überzeugung bin. Das heißt nicht, dass ich mich nicht mit der neuen Strategie auseinander setze; aber wenn ich zu dem Ergebnis komme, das kann ich so nicht mittragen, dann muss ich auch die Finger davon lassen, und mich ganz bewusst für meine Überzeugung einsetzen.

Mein zweijähriger Enkel schaute sich mit mir einen Videofilm über die Lokomotive Thomas an. Eine Lokomotive fährt tagein tagaus die gleiche Strecke von A nach B. Der Weg ist vorgeschrieben, denn die Lokomotive muss sich nach den ausgelegten Gleisen richten. So verlangt man es von ihr. Eines Tages wurde ihr das zu bunt. "Warum immer die gleiche Strecke fahren, die ist inzwischen doch so langweilig?" Eines Tages verließ die Lok an einer kurvenreichen Stelle die Gleise und kam in eine Landschaft, so schön wie sie noch keine gesehen hatte. Sie sah bunte Blumenwiesen, fröhliche Tiere und viele Menschen, die sich an einem Bachlauf in der Natur aufhielten. Das alles hätte sie nicht erlebt und gesehen, wäre sie nicht einfach einmal von ihrem vorgeschriebenen Weg abgefahren, um einfach mal etwas Neues zu erleben. Es gehört Mut dazu, einen eingefahrenen Weg zu verlassen und einen neuen Weg einzuschlagen; wusste sie doch nicht wohin sie der neue Weg führte.

Auch in der Gewässerunterhaltung ist es wichtig, einmal den so eingefahrenen Weg der "Routineunterhaltung" zu verlassen und neue Wege einzuschlagen. Es werden sich ganz neue Perspektiven öffnen. Wichtig ist, dass ich persönlich hinter meiner Entscheidung stehe und meine Zielsetzung nicht verlasse. So kann ich es mir auch mal leisten meine Kompetenzen zu überschreiten. Weitsichtige Vorgesetzte werden dies nicht nur akzeptieren sondern auch voll und ganz respektieren. Sie werden stolz sein auf derart flexible Mitarbeiter.

Grenzen überschreiten / Kompetenzen überschreiten

Vorwort
Warum Gewässerunterhaltung?
Das Venensystem des Menschen im Vergleich zum Fließgewässersystem
Fußreflexzonen
Wir schaffen uns Normen
Was hat ein Bachlauf mir zu sagen ?
Zielsetzung der Gewässerunterhaltung
Lebensgemeinschaften
Berücksichtigung Interessen Dritter
Erfolg in der Gewässerunterhaltung
Arbeiten in einem Team
Welches sind meine Aufgaben?
Macht der Gedanken
Macht der Vorgesetzten
Anwalt der Gewässer
Disziplin
Grenzen überschreiten / Kompetenzen überschreiten

Ihre Meinung und Komentar ist gefragt



Impresum
Dipl.Ing. Peter Gerlitz
e-mail : apgerlitz@googlemail.com

Düsseldorf im Dezember 2007